Interview zum modularen Bauen mit Thomas Kirmayr

Drei Fragen zum modularen Bauen an Thomas Kirmayr, Leiter der Fraunhofer-Allianz Bau

Kurzmeldung /

Modulares Bauen hat das Potential die Bauwirtschaft nachhaltig zu verändern. Thomas Kirmayr gibt einen Einblick und beantwortet drei wichtige Fragen.

© Fraunhofer IBP

1. Welche Bedeutung und Effekte sieht die Allianz Bau in stärker vorgefertigten Bausystemen im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen?

»Eine stärkere Vorfertigung und Modularisierung des Bauens zeigt bereits heute deutliche Produktivitätsgewinne. Diese müssen zwingend ausgebaut werden, wenn wir verhindern wollen, dass die Transformation zur Nachhaltigkeit des Bauens nicht von der Bezahlbarkeit ausgehebelt werden soll. Jedoch sieht die Allianz Bau die Möglichkeiten der Produktivitätsgewinne nicht nur auf die Vorfertigung begrenzt, sondern auch in den Schnittstellen der herkömmlichen Bauweisen. Der von der Allianz geprägte Begriff des »Systemischen Bauens und Sanierens« entwickelt sich daher immer mehr zum Synonym für einen nachhaltigen Wandel, der sich bis in die Handwerkerleistung ausweiten lässt. Mehr System bis hin zur Montage reduziert Komplexität und schafft mehr Produktivität auch ohne große Investitionen in aufwendige Vorfertigungskapazitäten. Heute werden mehr als 90% der Bauleistung in kleinen Betriebseinheiten realisiert. Dieses Potential sollten wir aktivieren, ohne auch den Ausbau neuer Fertigungsstrukturen aus den Augen zu verlieren.«

2. Welche Herausforderungen und Potentiale bringt eine »Systemorientierte« Bauweise mit sich, vor allem im Bezug auf Logistik, Genehmigung und Kosten?

»Mehr System schafft zunächst Vorteile für alle Prozessbeteiligten. Dafür müssen wir die Potentiale innerhalb der Prozesskette identifizieren, um dann gezielt dort mit neuen Lösungen zu wirken. Dafür wollen wir das Praxiswissen aktivieren. Mit »Save-1-Hour« will die Allianz Bau alle am Bau beteiligten von der Planung bis zur Montage, den Betrieb und Rückbau motivieren sich Gedanken über die eigenen Prozessabläufe und praxisgerechte Verbesserungen zu machen. Wenn sich kollektiv alle auf den Weg machen und die Stunde zu suchen, die wir mit mehr System, besseren Gewerkeschnittstellen, besserer Kommunikation, mehr Digitalisierung oder höherem Vorfertigungsgrad einsparen können, dann entsteht eine neue Baukultur, die auch alle mitnimmt. Mehr intelligente, nachhaltige und praxisgerechte Bausysteme erschließen nicht nur Produktivitätspotentiale, sie schaffen zudem eine Basis für Systemgenehmigungen und damit insgesamt schnellen Prozessen mit mehr Qualität zu reduzierten Kosten. Das modulare, vorgefertigte oder industrialisierte Bauen wäre dann nur eine Ausprägung vieler neuer Systembau-Optionen.«

3. Welche Bedeutung spielt dabei das Building Information Modeling für den Lebenszyklus Bau und die Sicherung der Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit?

»Die Digitalisierung und damit auch BIM sind das Arbeitsfundament jeglicher Veränderung und Optimierung. Ohne verlässliche Daten werden wir weder die ökologische noch die systemische Transformation des Bauens erfolgreich gestalten können. Die größte Heruasforderung dabei ist, dass wir hierfür den Datenfluss organisieren müssen. Heute reichern wir immer mehr Daten und Informationen in Datenmodellen wie BIM an. Wirkliche Wertschöpfung und Nutzen erzeugen sie aber erst dann, wenn die erfassten Daten auch in die nachfolgenden Lebenszyklusphasen fließen können. Zudem muss die digitale Information zwingend dezentralisiert verwaltet werden können, um über den langen Lebenszyklus des Planens, Bauens und Betreibens alle einzubinden und die Daten aktuell zu halten. Daten haben eine recht kurze Halbwertszeit. Hierzu braucht es dringend die Förderung neuer nachhaltiger Datenarchitekturen eines GAIA-X oder Fraunhofer IDSA für die Domäne Bau.«

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